Die gesellschaftlichen Naturverhältnisse und die theoriepolitischen Probleme des Feminismus Anthropologische und taxonomische Aspekte im Anthropozän
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Abstract
Der berühmte Anfang von Michel Foucaults „Die Ordnung der Dinge“ illustriert, wie sich Menschen in allen Epochen mit ihrem Verhältnis zur Welt und dem eigenen Standort darin befass(t)en. Taxonomien und Anthropologien geben Auskunft darüber; im Anthropozän verweisen sie auf die bedrohliche Herrschaft über die menschliche und die außermenschliche Natur. Während Analysen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse die Grenzverwischungen zwischen Natur und Kultur kritisch thematisieren, gibt es im Feminismus kaum vergleichbare Diskurse. Der sozial-ökologische Strang der Geschlechterforschung steht eher randständig neben dem konstruktivistischen (queer)feministischen Mainstream, die Kritik der Beherrschung außermenschlicher Natur steht unvermittelt neben dem Lob der Befreiung menschlicher (Körper)Natur. Will sich die feministische Forschung nicht selbst aus den Zukunftsdebatten des 21. Jahrhunderts hinauskatapultieren, müssen anthropologische und taxonomische Fragen neu aufgeworfen und die kulturalistische Dominanz überwunden werden – keine leichte Aufgabe.
Schlagwörter: Anthropologie, Taxonomie, Anthropozän, Natur-Kultur-Relation, Konstruktivismus
Bibliographie: Holland-Cunz, Barbara: Die gesellschaftlichen Naturverhältnisse und die theoriepolitischen Probleme des Feminismus. Anthropologische und taxonomische Aspekte im Anthropozän, FZG – Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien, 2025, S. 33-48.
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