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Pfadabhängigkeiten in der Bioökonomie überwinden? Landwirtschaftliche Intensivierungsprozesse aus sozial-ökologischer Perspektive

Henryk Alff, Michael Spies

Volltext: PDF

Abstract


Zusammenfassung

Der Wandel zu einer „bio-basierten“ Wirtschaft, wie er in nationalen und internationalen Bioökonomie-Strategien propagiert wird, kann nur mit tiefgreifenden Veränderungen landwirtschaftlicher Systeme zur Steigerung der Agrarproduktion einhergehen. Besonders in Ländern des Globalen Südens gingen solche Prozesse jedoch meist mit unbeabsichtigten – oder in Kauf genommenen – negativen Konsequenzen wie Umweltdegradation oder die Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheiten einher. Dennoch finden die Kenntnisse über die Risiken bisheriger landwirtschaftlicher Interventionen kaum in politischen Bioökonomie-Strategien Berücksichtigung, die auf wirtschaftlich-technische Lösungen einer „nachhaltigen“ Intensivierung durch agrartechnologische Innovationen auf der einen, und eine Ausweitung von Produktionsflächen auf der anderen Seite setzen. Wie diese Produktionssteigerungen ökologisch und sozial nachhaltig gestaltet werden sollen, bleibt unklar, und bisherige Erfahrungen mit derartigen Interventionen lassen eher das Gegenteil befürchten. Anhand von zwei historischen Beispielen – der Grünen Revolution im Punjab Pakistans und der Neulandkampagne in Kasachstan – skizziert der Beitrag die vielschichtigen sozialen und ökologischen Folgen bisheriger, großangelegter landwirtschaftlicher Interventionen zur Produktionssteigerung und geht der Frage nach, inwiefern diese Erfahrungen (besser) in Bioökonomie-Strategien Berücksichtigung finden (können). Kritische Reflektion sollte dabei vor allem die Rolle institutioneller Pfadabhängigkeiten in der Gestaltung aktueller und zukünftiger Entwicklungen erfahren. Wie bisherige Erfahrungen im Landwirtschaftssektor deutlich machen, müssen Bioökonomie-Strategien ihren geforderten systemischen Ansatz ernst nehmen – was impliziert, dass technologie- und produktivitätsorientierte Ziele stets sozialen und ökologischen Zielen untergeordnet werden müssen.

Schlagwörter: Landwirtschaft, Bioökonomie-Strategien, Produktionssteigerung, Grüne Revolution, Neulandkampagne, Pakistan, Kasachstan

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Overcoming Path Dependencies in the Bioeconomy? Agricultural Intensification Processes from a Social-Ecological Perspective

Abstract

The “transformation” to a bio-based economy as propagated in international and national bioeconomy strategies implies profound changes in agricultural systems to increase production. In countries of the Global South, however, such processes have usually been accompanied by unintended – or deliberately accepted – negative consequences, such as environmental degradation or a widening of social inequalities. Yet, existing knowledge about the risks of agricultural interventions is hardly considered in bioeconomy strategies, which, on the one hand, focus on economic and technical approaches to “sustainable” intensification through agro-technological innovations, and, on the other hand, an expansion of production areas. These strategies lack any plausible ideas on how production increases can be made ecologically and socially sustainable, and previous experience with agrarian interventions give reasons for concern. Using two historical examples – the Green Revolution in the Punjab of Pakistan and the Virgin Lands Campaign in Kazakhstan – this article outlines the complex social and ecological consequences of large-scale agricultural interventions to increase production and examines the extent to which these experiences can (and should) be taken into account in bioeconomy strategies. In this context, the role of institutional path-dependencies in shaping present and future developments should be critically reflected on. As past experience in the agricultural sector has shown, bioeconomy strategies must take their claimed “systemic” approach seriously, which implies that technology and productivity-oriented goals must always be subordinated to social and ecological goals.

Keywords: agriculture, bioeconomy strategies, intensification, extensification, green revolution, virgin lands campaign, Pakistan, Kazakhstan

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Bibliographie: Alff, Henryk/Spies, Michael: Pfadabhängigkeiten in der Bioökonomie überwinden? Landwirtschaftliche Intensivierungsprozesse aus sozial-ökologischer Perspektive, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, 2-2020, S. 334-359. https://doi.org/10.3224/peripherie.v40i3-4.06


Literaturhinweise