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Totale Grenzen des Politischen: Die Zerstörung der Öffentlichkeit bei Hannah Arendt

Gabriele Wilde

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Abstract


Zusammenfassung

Der Beitrag beleuchtet die Anschlussfähigkeit, die sich mit dem Konzept der totalen Herrschaft von Hannah Arendt für eine feministische Theorie autokratischer Herrschaft und den Zusammenhang zwischen Autokratien und Geschlechterverhältnissen ergeben. Demnach zeigen sich innovative Impulse vor allem mit der zentralen These Arendts, der zufolge das Wesensmerkmal totalitärer Herrschaft in der Zerstörung der Öffentlichkeit als Sphäre menschlicher Pluralität und Handlungsfreiheit besteht. Vor diesem Hintergrund macht der Beitrag deutlich, wie die Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit als konstitutive Bestandteile des Politischen im Ansatz von Arendt weniger als kontrastierende Bereiche, sondern als Entstehungszusammenhänge divergierender Handlungsformen konzeptionalisiert sind. Totalitäre Bestrebungen zielen in der Auffassung Arendts deshalb nicht ausschließlich auf die Zerstörung politischer Öffentlichkeit, sondern auch des Privaten und damit der Bedingungen politischen Handelns. Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Privaten als eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung der Pluralität und die Möglichkeit für politisches Handeln benennt der Beitrag schließlich anhand von Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft, familialer Privatheit sowie Staatsbürgerschaft als diskursiver Praxis vier Untersuchungsebenen für einen feministisch-politikwissenschaftlichen Theorieansatz.

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Abstract

The article examines the applicability of Hannah Arendt’s concept of totalitarism for developing a feminist theory of autocratic rule and for linking autocratic rule to gender relations. The innovative impulses lay above all Arendt’s central thesis according to which the key element of totalitarian domination is the destruction of the public sphere as an arena for human pluralism and freedom of action. Against this backdrop this contribution illustrates how the separation of the public and the private, as constitutive components of the political according to Arendt, are not conceptualized as opposing but rather as formative linkages among diverging forms of action. According to Arendt totalitarian mobilisation does not focus exclusively on the destruction of the public sphere but also aims at undermining private relations which are the foundation of political action. Given the significance of the private as a critical prerequisite for the recognition of pluralism and the possibility of political action, this article offers four levels of analysis for a feminist political science theory, namely the public sphere, civil society, the private realm of family life, and citizenship as a discursive practice.


Literaturhinweise