Das Narrativ der verlorenen Männlichkeit als erinnerungspolitische Intervention. Zum Antifeminismus neurechter Geschichtspolitiken
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Abstract
Die Neue Rechte interveniert aktiv in erinnerungspolitische Diskurse. Der Beitrag zeigt, dass neben der gezielten Holocaust-Relativierung, dabei auch ein dezidiert antifeministisches Erinnern zu erkennen ist, das über das Aufrufen eines Narrativs von der verlorenen Männlichkeit arbeitet. Am Beispiel des autobiographisch flankierten Erzählens von Jürgen Elsässer und Ellen Kositza wird exemplarisch verdeutlicht, wie neurechtes Erinnern Feminismus zugleich abwertet und partiell vereinnahmt. Das antifeministische Erinnern der Neuen Rechte, so die These, ist Teil einer maskulinistischen Herrschaftsstrategie, die von ihren männlichen wie auch weiblichen Protagonist*innen bedient wird. Um dies zu zeigen, entwickelt der Beitrag einen narrativtheoretischen Zugang zum Erinnern und argumentiert, dass gerade der Rückgriff auf die persönliche Erfahrung den neurechten Erinnerungen den Anstrich von Authentizität verleiht und sie als Akte der Resouveränisierung ausweist.
Schlagworte: Neue Rechte, Männlichkeit, Antifeminismus, Erinnerung
Bibliographie: Eggers, Nina Elena: Das Narrativ der verlorenen Männlichkeit als erinnerungspolitische Intervention. Zum Antifeminismus neurechter Geschichtspolitiken, Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, 1-2025, S. 37-50.
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