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Die Eigendynamik von Megaprojekten. Zum Kanalbauprojekt in Nicaragua

Anne Tittor

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Abstract


Zusammenfassung

Viele Mega-Projekte folgen den gleichen Mustern: Sie werden nicht nur als rein ökonomisch rational präsentiert, sondern als Inbegriff von Modernität. Es kommt zu einem Primat des Technologischen gegenüber dem der Politik. Damit erscheinen alle, die kritische Fragen technischer, sozialer oder ökologischer Art aufwerfen, als rückwärtsgewandte Bedenkenträger*innen, die gesellschaftlichen Fortschritt und Entwicklung behindern. Anknüpfend an sozialwissenschaftliche Debatten um Extraktivismus und Megaprojekte zeigt sich, dass für Megaprojekte immer wieder staatsbürgerschaftliche Rechte außer Kraft gesetzt und demokratische Prinzipien unterlaufen werden. Auf dem amerikanischen Kontinent bedeutet dies: Gebiete des Landes werden „geopfert“, v.a. solche, in denen indigene und schwarze Bevölkerungsgruppen sich in langwierigen Prozessen Territorialrechte erkämpft haben, Menschen vertrieben, Zonen der Unsicherheit geschaffen. Der Beitrag zeigt, dass genau diese Muster auch auf den Kanalbau in Nicaragua zutreffen, den die Regierung Ortega seit 2013 vorantreibt. Proteste gegen den Kanalbau werden diffamiert, die Bemühungen indigener Gruppen, territoriale Rechte zu beanspruchen, unterlaufen und verbriefte Rechte auf vorherige Konsultation missachtet. Es kommt zu einer weiteren Zentralisierung von Entscheidungen und zur Intensivierung autoritärer Praktiken.

Schlagwörter: Sozial-ökologische Konflikte, Infrastrukturprojekte, Extraktivismus, Nicaragua, Umweltgerechtigkeit

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The Momentum of Megaprojects. The Project to Build an Inter-Oceanic Canal in Nicaragua

Abstract

Many megaprojects follow the same pattern: advocates present them not only as purely economically rational, but as an embodiment of modernity. This leads to a primacy of technological issues over politics. Anybody who raises critical questions of a technical, social or ecological kind are deemed retrograde sceptics hindering societal progress and development. Drawing on social scientific debates on extractivism and megaprojects, it becomes apparent that civic rights are overridden and democratic principles are subverted repeatedly in favour of such megaprojects. On the American continent, this means sacrifice zones are established – especially in areas where indigenous and Black people have received territorial rights due to long struggles – in which people are expelled and zones of insecurities are formed. In pushing for the inter-oceanic canal project since 2013, the article shows that the Nicaraguan government of Ortega has repeated these patterns. The government vilifies protests against the construction, subverts efforts of indigenous groups to claim territorial rights, and disregards guarantied rights of free, prior, and informed consent. Further centralization of decisions and an intensification of authoritarian practices are the result.

Keywords: socio-ecological conflicts, infrastructural projects, extractivism, Nicaragua, environmental justice

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Bibliographie: Tittor, Anne: Die Eigendynamik von Megaprojekten. Zum Kanalbauprojekt in Nicaragua, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, 2-2019, S.188-215. https://doi.org/10.3224/peripherie.v39i2.04


Literaturhinweise