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„Die Kinder gehen jetzt zur Schule“. Aspirationen, Entwicklungsdiskurs und Schulbildung in Lodwar, Nordkenia von 1989-2022

Ulrike Schultz

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Abstract


Zusammenfassung

Während Hoffnungen und Erwartungen an die nächste Generation in vielen Ländern des Globalen Nordens von Familientraditionen, Geschlechterstereotypen und Klassenzugehörigkeit geprägt sind, sind sie in Ländern des Globalen Südens eng mit dem Entwicklungsdiskurs und den damit verbundenen Prozessen des sozialen Wandels verbunden. In diesem Diskurs scheint westliche Schulbildung nicht nur im Hinblick auf die eigene Zukunft sondern auch auf die Entwicklung der Gesellschaft die einzige Alternative zu sein. Der Artikel thematisiert die Verknüpfung von Entwicklungsdiskursen und den persönlichen Aspirationen von Eltern und ihren Kindern anhand der Turkana, einer ethnischen Gruppe, die im Norden Kenias ansässig ist. Anhand der Biographien dreier Frauen und ihrer inzwischen erwachsenen Kinder wird deutlich, dass angesichts der wirtschaftlichen Situation des kenianischen Nationalstaates und der Marginalisierung der Turkana innerhalb des Nationalstaates westliche Schulbildung nicht nur viele junge Menschen, sondern auch ganze Familien in eine Falle führt. Diversifizierungsstrategien werden aufgegeben; alles wird auf eine Karte (Schulbildung) gesetzt. Das wiederum untergräbt die Voraussetzungen, die in vielen Fällen zum Erfolg der Schulkarriere geführt haben. Immer weniger Familien können auf Ressourcen in der mobilen Viehwirtschaft zurückgreifen und von Zeit zu Zeit Vieh verkaufen, um ihren Kindern eine kontinuierliche und erfolgreiche Schullaufbahn zu sichern. Dies führt zu einer zunehmenden Kluft zwischen den Aspirationen und den Möglichkeiten und Chancen, die jungen Turkana und ihren Familien im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Einzelne (erfolgreiche) Absolvent*innen sind mit hohen Erwartungen und vielen Verpflichtungen konfrontiert, die es ihnen schwermachen, ihren Erfolg an die nächste Generation weiterzugeben. Auch aus diesem Grund kann man von einer „Bildungsfalle“ sprechen.

Schlagwörter: Bildungsversprechen, Bildung für alle, Nordkenia, Aspirationen

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Abstract

While hopes and expectations for the next generation in many countries of the Global North are shaped by family traditions, gender stereotypes and class affiliation, in countries of the Global South they are closely linked to the development discourse and the associated processes of social change. In this discourse, Western education seems to be the only alternative, not only in terms of oneʼs own future, but also in terms of the development of society. Investigating the case of the Turkana, mobile pastoralists living in Northern Kenya, it became apparent that the aspirations of parents, children and young adults are shaped by this discourse. Reflecting on the biographies of three women and her now adult children, the paper reveals that in view of the economic situation of the Kenyan nation state and the marginalization of the Turkana within the nation state, Western schooling leads not only many young people but also entire families into a trap. Diversification strategies are abandoned and everything is put on one card (schooling). This in turn undermines the conditions that in many cases led to the success of school careers. Fewer and fewer families can draw on resources in mobile livestock farming and sell livestock from time to time to ensure continuous and successful schooling for their children. This development is accompanied by an inflation of degrees and competition in a private education market, in which many Turkana families cannot compete. This leads to an increasing gap between aspirations and the possibilities and opportunities available to young Turkana and their families within the education system and on the labour market. Individual (successful) graduates are confronted with high expectations and many obligations that make it difficult for them to pass on their success to the next generation. This is another reason why, one can speak of an “education trap”.

Keywords: education promise, education for all, Northern Kenya, aspirations

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Bibliographie: Schultz, Ulrike: „Die Kinder gehen jetzt zur Schule“. Aspirationen, Entwicklungsdiskurs und Schulbildung in Lodwar, Nordkenia von 1989-2022, PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, Nr. 171+172 (2-2023), S. 259-286. https://doi.org/10.3224/peripherie.v43i2.03

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Literaturhinweise