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Indigene Bürgerschaft als Herausforderung für die Demokratietheorie

Oliver Eberl

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Abstract


Leseprobe
Leseprobe 2

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Zusammenfassung

In der Demokratietheorie wird Bürgerschaft als Vereinigung von Freien und Gleichen zur Selbstgesetzgebung verstanden. In kolonialen Staaten kann diese Vereinigung nur gelingen, wenn die indigene Bevölkerung entweder komplett exkludiert oder komplett assimiliert wird. In beiden Varianten verlängert Bürgerschaft den Kolonialismus. Daher muss Bürgerschaft in postkolonialen Situationen anders gedacht werden. Indigene Bürgerschaft in ehemals kolonialen Siedlerstaaten stellt eine Form indigener Selbstbestimmung unterhalb staatlicher Souveränität dar. Der Beitrag deutet diese Form der Bürgerschaft als ursprünglichen antikolonialen Souveränitätsanspruch indigener Gruppen. Es wird gezeigt, dass dieser Anspruch von Iris Marion Young und Will Kymlicka in ihren Theorien multikultureller Bürgerschaft, die sich als eine der wenigen um die Berücksichtigung indigener Gruppen bemühen, falsch verstanden und übergangen wurde. Am Beispiel der Unabhängigkeitsreferenden in Neukaledonien wird die Herausforderung, vor der die indigene Bürgerschaft die Demokratietheorie stellt, verdeutlicht: Zur Integration indigener Bürgerschaft in die Demokratietheorie bedarf es einer Theorie der Bürgerschaft, die geteilte Souveränitätsansprüche und abweichende Mitgliedschaftskriterien anerkennt und integriert.

Schlüsselwörter: Kolonialismus, Bürgerschaft, Unabhängigkeit, Indigene, Demokratietheorie

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Abstract

In democratic theory, citizenship means the union of the free and the equal for selflegislation. In colonial states, this association can only succeed if the indigenous population is either completely excluded or completely assimilated. In both variants, citizenship prolongs colonialism. Therefore, democratic theory needs to think citizenship in post-colonial situations differently. Indigenous citizenship in former colonial settler states represents a form of indigenous self-determination below state sovereignty. This article interprets this form of citizenship as genuine anti-colonial claim to sovereignty of indigenous groups. It shows that this claim has been misunderstood and overlooked by Iris Marion Young and Will Kymlicka in their theories of multicultural citizenship, which are among the few to take indigenous groups into account. The example of the independence referendums in New Caledonia illustrates the challenge that indigenous citizenship poses to democratic theory: integrating indigenous citizenship into democratic theory requires a theory of citizenship that recognises and integrates shared claims to sovereignty and divergent membership criteria.

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Bibliographie: Eberl, Oliver: Indigene Bürgerschaft als Herausforderung für die Demokratietheorie, ZPTh – Zeitschrift für Politische Theorie, 2-2021, S. 200-217. https://doi.org/10.3224/zpth.v12i2.04

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Literaturhinweise