Chancen und Grenzen Internationaler Strategischer Prozessführung gegen Gewalt gegen Frauen am Beispiel der Fälle Opuz v. Turkey und „Campo Algodonero“ vs. Mexiko

Helin Ruf-Uçar, Nicole Schmal-Cruzat

Abstract


Zusammenfassung

2009 wurden an zwei internationalen Gerichten zwei Entscheidungen gefällt, die das Potential besitzen, den globalen Diskurs über staatliche Verantwortung für Gewalt gegen Frauen nachhaltig zu verändern: Im Juni 2009 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg die Türkei im Fall Nahide Opuz wegen mangelnden Einsatzes zur Eindämmung häuslicher Gewalt. Nahide Opuz hatte seit 1995 wiederholt Beschwerde gegen ihren gewalttätigen Ehemann Hüseyin Opuz bei staatlichen Behörden eingereicht und um Schutz gebeten, allerdings immer ohne Erfolg. Kurz darauf, im Dezember 2009, verurteilte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CoIDH) den mexikanischen Staat für die nachlässige Untersuchung der Ermordung und Verstümmelung von drei Frauen im Jahre 2001. Dieser Fall wurde unter dem Namen 'Campo Algodonero' international bekannt. Diese rechtliche Internationalisierung von Gewalt gegen Frauen durch strategische Prozessführung steht im Vordergrund unseres Beitrages. Uns interessiert die Frage, welche Chancen und Grenzen internationale strategische Prozessführung für Frauenorganisationen und für Frauen, die Gewalt erfahren, beinhalten. Das von Aktivistinnen im Laufe der letzten Jahre zunehmend wahrgenommene Instrument der internationalen strategischen Prozessführung gegen Gewalt gegen Frauen wollen wir in diesem Beitrag anhand oben erwähnter Fälle Opuz v. Turkey und 'Campo Algodonero' (Ciudad Juárez) vs. Mexiko detailliert behandeln.

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Chances and limits of international strategic litigation in the field of violence against women. The examples of Opuz v. Turkey and „Campo Algodonero“ vs. Mexiko

Abstract

In 2009, two decisions were taken by international courts which possess the potential to change the global discourse over state responsibility for violence against women: in June 2009, the European Court of Human Rights (ECHR) in Strasbourg convicted Turkey for a lack of commitment to prevent domestic violence in the case of Nahide Opuz. Repeatedly Nahide Opuz had filed complaints against her violent husband Hüseyin Opuz and unsuccessfully called for protection since 1995. Shortly afterwards, in December 2009, the Inter-American Court of Human Rights (CoIDH) convicted the Mexican state having negligently investigated the murder and mutilation of three women in 2001. This case became internationally known as ‘Campo Algodonero’. In this article we focus on the impact of internationalized legal strategies against violence against women via strategic litigation. We attend to the chances and limits of international strategic litigation for women’s organizations and victims of violence. Taking the examples of the two cases Opuz vs. Turkey and ‘Campo Algodonero’ (Ciudad Juárez) vs. México we want to scrutinize the potential of international strategic litigation, a strategy increasingly employed by activists.


Literaturhinweise