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Über die Radikalität des Fragilen

Barbara Holland-Cunz

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Abstract


Zusammenfassung

Martha C. Nussbaums 1986 erschienenes Werk The Fragility of Goodness, das sie selbst retrospektiv als „a book about disaster“ bezeichnet, bildet den Ausgangspunkt der Überlegungen, wie in Zeiten einer globalen Seuche über unsere anthropologischen Grundlagen (auch in der feministischen Theorie) neu nachgedacht werden muss. Fragilität strukturiert nicht nur die Verletzlichkeit der Verletzlichen; das Leben aller ist stets durch den Verlust des Guten durch Krankheit, Tod oder schlechte Politik gefährdet. Eine Philosophie des guten Lebens als Vierklang von Vulnerabilität, Sozialität, Fragilität und Materialität ist radikal, da sie dem neuzeitlichen Machbarkeitswahn des Guten – sei es in gegenwärtigen Diskursen oder klassischen Zukunftsvisionen – widerspricht. Wie verwundbar das menschliche Leben ist, illustriert eindrucksvoll das „Wuhan-Tagebuch“ Fang Fangs, das die chinesische Schriftstellerin während des Lockdowns von Januar bis März 2020 (zunächst als Blog) geschrieben hat. Fang Fangs und Nussbaums Arbeiten helfen, den geschichtlichen Einschnitt – „Corona-Krise“ genannt – zu verstehen, der zugleich die letzte Chance für die unumgängliche Transformation der gesellschaftlichen Naturverhältnisse darstellt – genannt „Klimakrise“.

Schlüsselwörter: Globale Seuche, „Corona-Krise“, Wuhan, Fragilität, Das gute Leben, „Klimakrise“

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On the radicality of fragility

Summary

Martha C. Nussbaum’s book The Fragility of Goodness, published in 1986, which the author herself retrospectively called “a book about disaster”, provides the basis for considering how we must rethink our basic anthropological tenets (even in feminist theory) in times of a global pandemic. Fragility not only structures the vulnerability of the vulnerable. Every life is constantly threatened by the loss of what is good through sickness, death or bad politics. A philosophy of the “good life” as a tetrad of vulnerability, sociality, fragility, and materiality is radical, as it contradicts the modern relentless drive to push boundaries whatever the cost, whether manifest in current discourses or in classical visions of the future. Fang Fang’s Wuhan Diary – which the Chinese author originally wrote as a blog during the lockdown between January and March 2020 – vividly illustrates the vulnerability of human life. Fang Fang’s and Nussbaum’s work helps us to understand this historical turning point, known as the coronavirus crisis, which represents the last chance for society to make the unavoidable transformation in its relationship with nature, also known as the climate crisis.

Keywords: global pandemic, coronavirus crisis, Wuhan, fragility, the good life, climate crisis

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Bibliographie: Holland-Cunz, Barbara: Über die Radikalität des Fragilen, GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 2-2022, S. 88-102. https://doi.org/10.3224/gender.v14i2.07

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Literaturhinweise