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Risiko- und Resilienzfaktoren von adoleszenten Kindern alkoholkranker Eltern: Ergebnisse der Greifswalder Familienstudie1

Ines Ulrich, Malte Stopsack, Sven Barnow

Volltext: PDF

Abstract


Zusammenfassung

Kinder alkoholkranker Eltern (COA) weisen ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung von Alkohol- und weiteren psychischen Störungen auf. Ziel dieser Studie war es, längsschnittlich zu überprüfen, ob auch beim Übergang von der Adoleszenz ins junge Erwachsenalter COAs ein erhöhtes Risiko für Alkohol- und weitere psychische Störungen aufweisen und welche Faktoren dabei eher verstärkend bzw. schützend wirken. Methode: 310 junge Erwachsene einer Allgemeinbevölkerungsstichprobe sowie deren Eltern wurden im Abstand von etwa 5 Jahren zu zwei Messzeitpunkten hinsichtlich Alkoholgebrauch, psychischen Störungen sowie soziodemografischen Variablen untersucht. Ergebnisse: Hinsichtlich Trinkmenge und Rauschtrinken zeigten sich keine Gruppenunterschiede zwischen COAs (N = 83) und nonCOAs (N = 227), jedoch berichteten COAs weniger regelmäßigen Alkoholkonsum (47.0% vs. 61.7%). Allerdings wiesen COAs ein 2.4fach erhöhtes Risiko für Alkoholstörungen (16.9 vs. 7.9%) auf, ebenso zeigten sie vermehrt affektive Störungen (18.1 vs. 8.8%) und tendenziell mehr Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen (10.8% vs. 5.3%, p = .075). Gleichermaßen fanden sich erhöhte Psychopathologiewerte in der COA-Gruppe. Da nur etwa 17 Prozent der COAs Alkoholstörung aufwiesen, stellte sich die Frage, ob Persönlichkeitsdimensionen und Erziehungsverhalten das Risiko für Alkoholprobleme in der COA-Gruppe moderierten. Es fanden sich eine höhere emotionale Wärme der Eltern und höhere Werte im Temperamentsfaktor Belohnungsabhängigkeit der Kinder als Schutzfaktoren. Schlussfolgerungen: Es scheint eine besonders gefährdete Gruppe von COAs zu geben, die sich durch eine geringe Belohnungsabhängigkeit und ein als wenig warm wahrgenommenes Erziehungsverhalten charakterisieren lassen. Jedoch legen unsere Daten nahe, dass ein Großteil dieser Kinder sehr gute Regulationsmechanismen besitzt und nahezu abstinent bleibt. Dies sollte in zukünftigen Präventions- und Interventionsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Schlagwörter: Kinder alkoholkranker Eltern, Alkohol, Familienstudie, Persönlichkeit, Erziehungsverhalten, Risiko- und Resilienzfaktoren

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Risk and Resilience Factors of Adolescent Children of Alcoholics: Results of the Greifswald Family Study

Abstract

In earlier studies, children of alcoholics (COA) had a higher risk of developing alcohol use disorders and other psychiatric disorders. The aim of this study was to examine longitudinally (from adolescence into young adulthood) if COAs have a higher risk for alcohol and other psychiatric disorders and which factors can be identified as risk or resilience factors. Method: 310 young adults of a community-based sample and their parents were examined at the time of early adolescence and about 5 years later in terms of alcohol use, psychiatric disorders, parenting styles and personality. Results: We found no group differences for drinking amount and binge drinking. COAs reported less regular alcohol use (47.0% vs. 61.7%). However, COAs showed an increased risk for alcohol disorders (16.9 vs. 7.9%, OR = 2.4) and affective disorders (18.1% vs. 8.8%, OR = 2.3) and a trend towards more Cluster B personality disorders (10.8% vs. 5.3%). Similarly, COAs displayed higher levels of psychopathology. Since only 17 per cent of COAs showed an alcohol use disorder, this raised the question whether personality dimensions and parenting moderated the risk for alcohol problems in the COA group. Higher levels of a warm/supportive parenting style and of the temperament factor reward dependence were related to a lower risk for alcohol use disorders. Conclusions: There seems to be a particularly vulnerable group of COAs which is characterized by low reward dependence and a perceived parenting style with low emotional warmth. On the other hand, our data suggest that a large proportion of these COAs have effective mechanisms of regulation and almost remain abstinent. This should be considered in future prevention and intervention measures.

Keywords: Children of alcoholics, alcohol, family study, personality, parenting


Literaturhinweise