„… ’ne richtig gute Schülerin [werden], wie ein deutsches Kind“: Deutsch(sprachig)-Sein als erwartete Fähigkeit von Grundschulkindern beim Übergang von der Vorbereitungsklasse in die Regelklasse in NRW

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M Knappik, Julie A. Panagiotopoulou, Maren Gudat

Abstract

Die normative Erwartung, dass neu zugewanderte Kinder und Jugendliche zunächst „Deutsch können“ (Khakpour 2023) müssen, bevor sie Zugang zum deutschen Bildungssystem erhalten, legitimiert Formen der separierenden Beschulung mit dem primären Ziel des Deutscherwerbs, zusammenfassend als Vorbereitungsklassen bezeichnet. Denn diese Sonderklassen sollen die als (noch) nicht deutschsprachig adressierten potenziellen Regelschüler:innen auf ihre Integration in den einsprachig organisierten Regelunterricht der Regelklasse vorbereiten. Im vorliegenden Beitrag wird anhand einer Ethnographie in einer großstädtischen Grundschule rekonstruiert, wie mit diesem Integrationsversprechen nicht nur eine Leistungserwartung in Bezug auf den Erwerb des Deutschen, sondern auch eine sprachnationale Assimilationserwartung verbunden ist, die auf einer fiktiven Einteilung in zwei vermeintlich trennbare Gruppen von Grundschulkindern, in richtig vs. nicht richtig deutsch(sprachig)e Schüler:innen, basiert.
Schlüsselwörter: Vorbereitungsklassen, Deutscherwerb, Sprachideologien


Bibliographie: Knappik, M/Panagiotopoulou, Julie A./Gudat, Maren: „… ’ne richtig gute Schülerin [werden], wie ein deutsches Kind“: Deutsch(sprachig)-Sein als erwartete Fähigkeit von Grundschulkindern beim Übergang von der Vorbereitungsklasse in die Regelklasse in NRW, Zeitschrift für erziehungswissenschaftliche Migrationsforschung (ZeM), 1-2025, S. 72-88.

Artikel-Details

Erscheinungsdatum: Oktober 2025
Open Access ab: 22.10.2027
Open-Access-Lizenz: CC BY 4.0

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